Josef/Karoline/Herbert/Heinrich HOLZER
Josef Holzer wurde am 20.12.1881 in Budapest geboren, die Heimatgemeinde seiner Eltern, Rupert und Laura Maria, geborene Blumschein, war aber Lendorf im Bezirk Marburg an der Drau, das bis 1918 zum Kronland Steiermark Österreich-Ungarns gehörte. Die Familie Holzer, zu der nun auch die neu geborene Friederike gehörte, übersiedelte Anfang der 1890er Jahre nach Wien, wo sie aber erst 1903 das Heimatrecht erwarb. Rupert Holzer übte den Beruf eines Theater-Garderobiers, später auch eines Verwalters in Wildbad Einöd in der Steiermark aus. Obwohl mit Eltern und Schwester bereits als Siebzehnjähriger (1898) aus der Israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten und zum Katholizismus konvertiert, galt Josef Holzer den Nazis als „Mischling ersten Grades“, da seine Großeltern väterlicherseits zwar katholisch, jene mütterlicherseits aber jüdisch waren. (1)

Von Herbst 1896 bis Sommer 1905 studierte Josef Holzer am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde. Nach dessen Absolvierung fand er eine Anstellung beim Carltheater in der Praterstraße, zunächst als Fagottist und Korrepetitor und kurze Zeit später als Kapellmeister/Dirigent. Als solcher leitete er zahlreiche Uraufführungen bekannter Operetten namhafter Komponisten. (2)

1924 heiratete Josef Holzer die im Orchester am Carltheater beschäftigte Harfenistin Karoline Konvička, adoptierte Arlt, geb. Genzinger, geb. 13.6.1890 in Troppau/Schlesien.
Sie war die Tochter der Schauspielerin/Sängerin Olga Genzinger und wurde vom Theaterdirektor Ferdinand Arlt, der verschiedene Bühnen im In- und Ausland (Klagenfurt, Bielitz, Troppau, Innsbruck, Mödling) geleitet hatte, und dessen Gattin adoptiert. Noch in Jugendjahren und parallel zum Instrumentalstudium wirkte sie als Theaterschauspielerin und Operettensängerin in diversen Produktionen ihres Adoptivvaters mit.

Karoline Holzer, die aus erster Ehe einen Sohn (Herbert, geb. 1.12.1919) mitbrachte, war - ihrer Geburtsbeurkundung entsprechend - Katholikin.

Seit 1922 wohnte Josef Holzer - ab 1924 mit Familie - in der Großen Stadtgutgasse 34 (Straßentrakt/vormals Tür 6), wo ein weiterer Sohn, Heinrich, am 6.2.1926 geboren wurde.

Noch lang vor der Schließung des Carltheaters Ende Mai 1929 - Josef Holzer war zu diesem Zeitpunkt schon mehr als 23 Jahre dort tätig - wurde er ab Mitte 1926 zunächst als Dirigent und ein Jahr später mit seinem eigenen Orchester (Kapelle bzw. Orchester JH) für regelmäßige Einspielungen bei Radio Wien engagiert. Ab Mitte 1933 bei der RAVAG direkt angestellt, übernahm er die Leitung des (aus seinem Orchester und Musikern der Wiener Symphoniker) neu gebildeten Funkorchesters der Wiener Symphoniker (später Wiener Funkorchester). (3)

Aus: Radio Wien, Jg. 5/H. 8, 23.11.1928, S. 8/I (Bestand der Wienbibliothek) Als Dirigent vor allem Interpret von Operetten und Wiener Musik, erlangte Josef Holzer über seine (phasenweise täglichen) Rundfunkauftritte einen weiten Bekanntheitsgrad im Unterhaltungsmusiksektor. Bis er im März 1938 von den Nationalsozialisten seiner Position enthoben wurde, „laut Hitlers Rassegesetzen“, wie sich Max Schönherr (sein Nachfolger) später erinnert (4). Offiziell wurde sein Vertrag mit 30.6.1938 gelöst. (5)
Allerdings war die „rassische“ Einschätzung Josef Holzers durch die Nationalsozialisten sichtlich nicht so eindeutig. In der von diesen geführten Meldekartei wurde unter „Abstammung“ bei ihm noch 1941 zunächst „A“ (wie „Arier“) vermerkt, dieses aber durchgestrichen und durch „unbekannt“ ersetzt. (6) Möglicherweise auch darum, weil auf Grund des Geburtsortes von Josef Holzer (Budapest) und auch seiner Eltern (Marburg a. d. Drau bzw. Vasmegye/Ungarn) seine „Abstammung“ nicht so leicht überprüfbar war. Jedenfalls aber dürfte ihm auch die „Mischehe“ mit einer Katholikin einen gewissen Schutz geboten haben.

Bis Ende September 1941 in der Großen Stadtgutgasse 34 gemeldet (Abmeldevermerk: "nach Holland, Hilversum"), scheint die Familie Holzer aber schon wesentlich früher nach Holland emigriert zu sein. Eine polizeiliche Meldung beim Meldeamt in Hilversum datiert nämlich mit 29.5.1939.
Aber bereits ab Ende Mai 1938 - zunächst als Gastdirigent unter dem Pseudonym Josef Höfler und ab Anfang August 1938 unter seinem eigenen Namen und definitiv engagiert - leitete Holzer neben Hugo de Groot regelmäßig das VARA-Orchester (Orchester des Arbeiter-Rundfunks) für Radioeinspielungen in Hilversum. (7)

Sein Repertoire umfasste in erster Linie wieder die Wiener Musik, doch nahm er - dem Wirkungsort entsprechend – immer wieder auch holländische Komponisten in sein Programm auf.

Nach der Besetzung Hollands durch Hitler-Deutschland (im Mai 1940) konnte Josef Holzer vorerst bei der VARA und dann auch (ab Anfang 1941) im zentralisierten Holländischen Rundfunk seine Dirigententätigkeit weiterführen, musste sich aber offenbar auch direkt für Propagandazwecke der Nationalsozialisten (Veranstaltungen der „Winterhilfe“ und "Frontzorg") einspannen lassen. (8)

Im Februar 1943 hat Josef Holzer auch einige Radioaufnahmen für Radio Paris geleitet. Im Zusammenhang damit richtet die nationalsozialistische Rundfunkbetreuungsstelle Hilversum eine vertrauliche interne Mitteilung an die Reichsrundfunkgesellschaft, in welcher sich die Einschätzung findet, Holzer sei „aus politischen Gründen aus dem damaligen Österreich nach Holland ausgewandert“. Er gelte nicht eigentlich als Emigrant, seine politische Haltung sei aber „keineswegs positiv“ und er werde „in Kreisen des SD [Sicherheitsdienst, d. Verf.] mehr oder weniger geduldet“. Beim Auftreten Holzers in Paris sei daher dafür Rechnung zu tragen, dass er nicht als Repräsentant der deutschen Musiker in den Niederlanden behandelt werde. (9) Dies macht auch verständlich, warum sich Holzer bis September 1944 nur mehr selten als Leiter von Orchestern in Programmankündigungen des Niederländischen Rundfunks findet.

Nach der Befreiung Hollands erklärte Franz Hoffmann (10) 1946 vor der Säuberungskommission für das Rundfunkpersonal in Hilversum, dass Josef Holzer „Österreicher und zu einem Viertel Jude“ und dies bei der RRG (Reichsrundfunkgesellschaft) bekannt gewesen sei. Deswegen habe „er sehr vorsichtig sein und wahrscheinlich Konzessionen machen müssen“. Die Aussage Hoffmanns führte unter anderen zur kommissionellen „Sauberkeitserklärung“ für Josef Holzer, der seines Gesundheitszustands wegen an dem Verfahren gar nicht mehr persönlich teilnehmen konnte. (11)

Josef Holzer war es nicht mehr vergönnt, sich lange an der wieder gewonnenen Freiheit nach dem Weltkrieg erfreuen, oder gar nach Wien zurückkehren zu können, was er sich so sehr gewünscht hatte. Er starb am 13.6.1946 in Hilversum, nachdem er kurz vor Kriegsende den Tod seines Sohnes hinnehmen musste, der 17-jährig zur Wehrmacht eingezogen worden war. (12)

Karoline Holzer ist im Mai 1949 von Hilversum wieder nach Mödling (ihrem Wohnort bis zur Ehe mit Josef Holzer) zurückgekehrt. Im April 1950 übersiedelte auch ihr Sohn Herbert dorthin, er ist allerdings im März 1954 nach Kanada ausgewandert.
Karoline Holzer verstarb Anfang Mai 1961. (13)

Dokumente/Texte



Anmerkungen:
(1)Die (ursprünglichen) Religionszugehörigkeiten von Rupert, Laura, Josef und Friederike Holzer gehen aus Abschriften von Geburts-/Tauf-/Heiratsbeurkundungen der zuständigen Stellen hervor, sind aber auch bei den Eintragungen zur katholischen Eheschließung von Rupert und Laura (am 27.6.1898), bzw. den Taufen von Laura, Josef und Friederike (ebenfalls am 27.6.1898) bei der Pfarre Reindorf in Wien angegeben. Die Austritte aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft sind im Matrikenamt der IKG Wien dokumentiert. Was Josef Holzers Eltern anlangt, so ist Rupert Holzer lt. Sterbebuch der Pfarre Neumarkt/Steiermark am 22.12.1922 dort verstorben. Seine Gattin lebte danach bei Tochter Friederike, die seit 1919 in Mödling mit Alois Kerngast verheiratet war, und verstarb Ende Juli 1938. Friederike verstarb ebendort im Juni 1968, Dokumente und Fotos aus ihrer Verlassenschaft verdanken wir Frau Claudia Billan in Wien.
(2)Zu Josef Holzers künstlerischem Werdegang bis 1931 siehe seinen Artikel in „Radiowelt“, Heft 2/1931. Das Carltheater war Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts neben dem Theater an der Wien das wichtigste Operettenhaus in der Reichshauptstadt. Entsprechend lang ist die Liste bekannter bis berühmter Werke, die dort ihre Uraufführung erfuhren. Allein nach 1900 gab es ca. 40 davon, ein Gutteil unter der musikalischen Leitung von Josef Holzer. Einige Titel: „Der Walzertraum“ von Oskar Straus (1907), „Die Zigeunerliebe“ von Franz Lehár (1910), „Die Bajadere“ von Emmerich Kálman (1921).
Das Gebäude des Carltheater wurde durch die Bombardements gegen Ende des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt, 1951 abgerissen und durch das Galaxie-Hochhaus ersetzt.
(3)Zur Bindung der Wiener Symphoniker an die RAVAG siehe Ernst Kobau: Die Wiener Symphoniker. Eine sozialgeschichtliche Studie. Wien 1991.
(4)Siehe dazu Andrew Lamb (Hrsg.): Unterhaltungsmusik aus Österreich. Max Schönherr in seinen Erinnerungen und Schriften. New York 1992.
(5)Das geht aus dem beim ORF noch archivierten Personal-Datenblatt hervor.
(6)Laut Mitteilung des Wiener Stadt- und Landesarchivs.
(7)Die Ankündigung für Josef Höfler als Gastdirigent findet sich in der VARA-Programmzeitschrift „Radiogids“, Jg. 12, H. 29, 21.5.1938, S. 71, ein Artikel über Josef Holzer mit der Klarstellung zum Pseudonym in „Radiogids“, Jg. 12, H. 41, 13.8.1938, S. 9.
(8)Diese Angaben finden sich in Dick Verkijk: Radio Hilversum 1940-1945. De Omroep in de Oorlog. Amsterdam 1974.
(9)Fernschreiben der Rundfunkbetreuungsstelle Hilversum Nr. 1/864 vom 16.2.1942 aus dem Bestand des „Nederlands Instituut voor Oorlogsdocumentatie“ (NIOD).
(10)Franz Hoffmann war ein nach Holland emigrierter Operetten- und Wienerlied-Sänger, der Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre über Schallplatteneinspielungen und Rundfunksendungen (viele zusammen mit Josef Holzer) breite Beliebtheit erlangte. Er war es, der auch Josef Holzer nach seiner Entlassung in Wien 1938 zum sozialdemokratischen Rundfunk in den Niederlanden (VARA) vermittelte. Er selbst war für verschiedene Rundfunkvereinigungen tätig, zuletzt auch noch nach der Radiokonzentration durch die Nationalsozialisten als Leiter der Abteilung für „Leichte Musik“. NS-feindlicher subversiver Umtriebe verdächtigt, wurde er Ende Mai 1942 entlassen. Über Entschädigungszahlungen konnte er sich bis Kriegsende durchbringen und war nach einem Entnazifizierungsverfahren noch einige Jahre bei verschiedenen wiedererstandenen Radiovereinigungen engagiert. In den 1950er Jahren wieder beim österreichischen Rundfunk in Wien engagiert, verbrachte Hoffmann den Lebensabend in einem kleinen Dorf nahe Hilversum, seiner langjährigen Wirkungsstätte beim Rundfunk in Holland, wo er schließlich am 18.4.1983 im Alter von 83 Jahren verstarb. (Quellen: Niederländisches Nationalarchiv/Säuberungskommission für das Rundfunkpersonal/Akt Franz Hoffmann/diverse Dokumente; Dick Verkijk: Radio Hilversum 1940-1945. De Omroep in de Oorlog. Amsterdam 1974.)
(11)Die Begründung der Kommission in einem Schreiben an Frau Holzer lautete: „Da wegen des Ablebens Ihres Mannes die Untersuchung nicht vollständig durchgeführt werden konnte, stützt sich das Urteil der Kommission hinsichtlich des Verhaltens Ihres Mannes während der Besatzung auf hier bekannte Tatsachen. Mit Verweis auf die positiven Erklärungen der Herren Janssen und Hoffmann will Ihnen die Kommission auf diesem Weg mitteilen, dass sie als Ergebnis ihrer Untersuchung keinen Einwand gegen eine Wiederbeschäftigung Ihres Mannes gehabt hätte.“ (Niederländisches Nationalarchiv/Säuberungskommission für das Rundfunkpersonal/Akt Josef Holzer/Dokument ohne Datum (Aussage Hoffmann) und Dokument vom 7.1.1945 (Kommissionsschreiben an Frau Holzer)).
(12)Siehe dazu den Nachruf von Viktor Hruby in Radio Wien, Jg. 1946, H. 11, 29.6.1946, S. 6.
(13)Die Meldedaten zu Karoline und Herbert Holzer sind beim Meldeamt Mödling dokumentiert.

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