Der Rundfunk in den Niederlanden während der deutschen Okkupation

Anders als sonst in Europa wurde das Rundfunkwesen der Niederlande bis 1941 von einer Reihe selbständiger und voneinander unabhängiger Rundfunkvereine getragen, welche die vorherrschenden (gegeneinander ziemlich abgeschotteten) weltanschaulichen Gruppen des Landes repräsentierten.
Die wichtigsten Sendeanstalten waren: Jeder dieser Gesellschaften stand in eigener Verantwortung ein Anteil am Gesamtprogramm im Ausmaß von jeweils 20% der Sendezeit (von Hilversum I und II) zur Verfügung, weitere 15% wurden gemeinsam mit einem allgemeinen Programm ausgefüllt. Und zur Gestaltung des Musikprogramms wurden von den Rundfunkvereinen jeweils auch eigene Orchester gehalten, die vielfach in Direktübertragungen eingebunden waren.
Neben diesen vier großen Sendegesellschaften gab es eine Reihe kleinerer. Alle finanzierten sich in erster Linie aus freiwilligen Beiträgen und Spenden der Hörer, welche den Rundfunkvereinen als Mitglieder angehörten oder mit ihnen sympathisierten.

Anders als etwa in Österreich, wo innerhalb weniger Tage nach dem „Anschluss“ der Rundfunk von der NSDAP übernommen und gleichgeschaltet war, wurden die Rundfunkvereinigungen nach der Besetzung Hollands durch Hitler-Deutschland im Mai 1940 vorerst aufrecht erhalten. Über diverse Maßnahmen (der nationalsozialistischen „Rundfunkbetreuungsstelle“) wurden sie allerdings kontrolliert und zensuriert.
Schrittweise vorbereitet, erfolgte dann Anfang 1941 die Verstaatlichung der verschiedenen Rundfunksender und Konzentration in Form des „Nederlandsche Omroep“ (Niederländischer Rundfunk). Auch die bestehenden Rundfunkorchester wurden aufgelöst und ein ca. 80 Mann starkes „Omroep Symphonie Orkest“ sowie einige kleinere Ensembles für Unterhaltungsmusik (darunter das „Omroeporkest“) gegründet.

Immer mehr wurde der Rundfunk zum Sprachrohr der Besatzer und der niederländischen Nationalsozialisten. Gleichzeitig verlor er in der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit und damit an Zuhörern und geriet (auch über ausländische „Piratensender“) zunehmend in Isolation.

Landesweite Streiks in Folge der Radikalisierung der Besatzungspolitik durch die SS im Frühjahr 1943 führten zu einer Beschlagnahme aller privaten Rundfunkempfangsgeräte und damit auch zur nahezu völligen propagandistischen Wirkungslosigkeit des Rundfunks selbst.

Verstärkte Bemühungen um eigene - auf England gerichtete „Propagandasender“ ließen den Besatzern in den Niederlanden daneben nur mehr Kapazitäten für ein Schmalspur-Inlandsprogramm, das aber noch bis Mai 1945 ausgestrahlt wurde.

Ab Oktober 1944 betrieb die niederländische Militärbehörde im befreiten Eindhoven und nach Kriegsende auch von Den Haag aus „Radio Herrijzend Nederland“ (RHN; etwa „Radio Wiedererstandene Niederlande“). Ab Jänner 1946 wurde dieser von der neuen niederländischen Regierung durch „Radio Nederland in den Overgangtijd“ (RNIO; etwa „Radio Niederlande in der Übergangszeit“) abgelöst, im Versuch die vormaligen Sendevereinigungen durch einen einzigen nationalen Sender zu ersetzen. Dieser Plan scheiterte 1947, stattdessen schlossen sich die alten Vereinigungen zur „Nederlandse Radio Unie“ (NRU; „Niederländische Radio-Union“) zusammen, die nun auch regionale Sender betrieb. Nur der Auslandsdienst ging getrennt auf die Stiftung „Radio Nederland Wereldomroep“ (RNW; etwa „Radio Niederlande International“) über.

Siehe dazu Michael Crone: Hilversum unter dem Hakenkreuz. Die Rundfunkpolitik der Nationalsozialisten in den besetzten Niederlanden 1940-1945. München, New York, London, Paris 1983.

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